Nichtigkeitsklage
Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, ein Patent anzugreifen. Zum einen besteht das Einspruchsverfahren und zum anderen kann ein Nichtigkeitsverfahren angestrengt werden. Ein Einspruchsverfahren kann allerdings nur innerhalb von neun Monaten nach Patenterteilung begonnen werden. Danach ist das Nichtigkeitsverfahren das Mittel der Wahl. Ein Nichtigkeitsverfahren kann jederzeit gestartet werden.
Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage
Eine Nichtigkeitsklage ist eine Popularklage, das heißt, dass sie von jedermann eingereicht werden kann. Es wird kein spezielles Interesse benötigt, um eine Nichtigkeitsklage zu beantragen. Es ist sogar zulässig, dass ein Lizenznehmer gegen das von ihm lizenzierte Patent mit einer Nichtigkeitsklage vorgeht. Nur in besonderen Ausnahmefällen, die gegen Treu und Glauben verstoßen, ist eine Nichtigkeitsklage nicht zulässig. Hat beispielsweise jemand sein Patent verkauft und versucht er dann das Patent nichtig zu klagen, ist diese Nichtigkeitsklage nicht zulässig.
Ein Dritter möchte in das Nichtigkeitsverfahren eintreten
Eine Patentverletzung wird typischerweise von mehreren Parteien gleichzeitig begangen. Es gibt ein Hersteller eines potenziell patentverletzenden Produkts und die Anwender des Produkts, die dann eben auch potenzielle Patentverletzer sind. Typischerweise strengt der Hersteller des Produkts, nachdem er auf Verletzung verklagt wurde, ein Nichtigkeitsverfahren an. Der Anwender des Produkts wird dann Akteneinsicht nehmen und oft wird dabei festgestellt, dass die Nichtigkeitsklage nicht so argumentativ untermauert ist, wie es sein könnte oder sogar sein sollte. Es wird dann regelmäßig der Wunsch auftreten, „das Ruder selbst in die Hand zu nehmen“. Dies ist durch zwei Wege möglich. Zum einen kann eine Dritteingabe vorgenommen werden, das heißt, es werden die gefundenen Dokumente und die Argumentation dazu zur Akte gereicht. Hierdurch wird man nicht selbst Partei. Ein Vortragen der Argumente ist ausgeschlossen. Der bessere Weg ist die Streithilfe oder Nebenintervention nach §99 PatG i.V.m. §66 ZPO. Hierdurch wird man Partei und kann selbst handeln und die Argumente und Dokumente aktiv ins Verfahren einbringen.
Nichtigkeitsgründe
Eine mangelnde Rechtsbeständigkeit des angegriffenen Patents wird sich dann ergeben, wenn es nicht neu ist, nicht erfinderisch, unzulässig erweitert oder eine Schutzbereichserweiterung erfolgt ist. Ist das Patent, insbesondere die Schutzansprüche, unklar, kann dies nicht in einem Nichtigkeitsverfahren geltend gemacht werden. Unklarheit bedeutet, dass ein Begriff verwendet wurde, der unterschiedlich verstanden werden kann.
Nichtigkeitssenat
Für Nichtigkeitsstreitfälle ist das Bundespatentgericht in München zuständig, das derzeit sechs Nichtigkeits-Senate umfasst. Ein Nichtigkeitssenat ist mit zwei rechtskundigen und drei technischen Mitgliedern besetzt, wobei ein rechtskundiges Mitglied den Vorsitz führt.
Erhebung der Nichtigkeitsklage
Das Nichtigkeitsverfahren wird durch das Einreichen der Klageschrift beim Bundespatentgericht eingeleitet. Die Klageschrift sollte alle Dokumente und eine umfassende und prägnante Argumentation aufweisen. Werden erst im Laufe des Verfahrens neue Dokumente oder Aspekte in das Verfahren eingebracht, können diese nach §83 PatG als verspätet zurückgewiesen werden. Es ist ferner zu beachten, dass die nächste Instanz, das Nichtigkeitsberufungsverfahren, keine Tatsacheninstanz mehr ist. In das Nichtigkeitsberufungsverfahren können daher explizit keine neuen Angriffsmittel eingebracht werden. Es erfolgt nur eine Überprüfung der in der Vorinstanz behandelten Angriffsmittel. Dem Beklagten wird die Klageschrift übermittelt.
Widerspruch des Patentinhabers
Der Patentinhaber erhält eine Frist von einem Monat, um anzuzeigen, ob er sich gegen die Nichtigkeitsklage zur Wehr setzen will. Versäumt der Patentinhaber diese Frist, geht das Gericht davon aus, dass die Behauptungen des Klägers richtig sind und entscheidet entsprechend. Erklärt der Patentinhaber seinen Widerspruch gegen die Nichtigkeitsklage wird er gleichzeitig darum bitten, eine Widerspruchsbegründung innerhalb einer Frist von drei bis vier Monaten nachzureichen.
Prozesskostensicherheit
Wird der Patentinhaber von einem ausländischen Unternehmen angegriffen, kann er eine sogenannte Prozesskostensicherheit verlangen. In diesem Fall kann der Beklagte bei Obsiegen die erstattungsfähigen Prozesskosten eintreiben, ohne hierzu im Ausland ein Vollstreckungsverfahren anstrengen zu müssen.
Nichtigkeitsverfahren
Wenn der Patentinhaber der Nichtigkeitsklage widersprochen hat, setzt das Bundespatentgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. Der Termin wird ungefähr 2 Jahre nach Einreichung der Klageschrift stattfinden.
Der Nichtigkeitskläger sollte auf die Widerspruchsbegründung antworten und seine Position noch einmal prägnant darstellen und dabei die Schwachpunkte der Widerspruchsbegründung herausarbeiten.
Ungefähr sechs Monate vor der mündlichen Verhandlung wird das Bundespatentgericht einen „qualifizierten Hinweis“ nach §83 Absatz 1 Patentgesetz absetzen. Hierbei wird die vorläufige Meinung des Nichtigkeitssenats zum Ausdruck kommen. An diesem Punkt zeigt sich, welche Partei gute Arbeit geleistet hat. Fällt die Meinung des Senats nachteilig aus, wird es schwierig, das Blatt zu wenden. Der Patentinhaber kann beispielsweise noch Hilfsanträge stellen, um weitere Verteidigungslinien aufzubauen. Sieht es andererseits für den Kläger nachteilig aus, sollte spätestens jetzt darüber nachgedacht werden, ein Privatgutachten in das Verfahren einzuführen.
Mündliche Verhandlung
Die mündliche Verhandlung folgt einem stets gleichen Schema. Zunächst führt der Senat die Parteien in die Sach- und Rechtslage ein, so wie der Senat dies zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sieht. Der Senat klärt danach ab, ob eine Vergleichsbereitschaft der Parteien besteht.
Sollte ein Vergleich ausgeschlossen sein, liegt es an den Parteien ihre Argumente vorzutragen. Es sollte dabei beachtet werden, dass nur die Punkte erörtert werden, die der Senat als noch zu klären ansieht.
Im Patentnichtigkeitsverfahren kann der Beklagte noch während der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche als Antrag einführen. Der Kläger muss dazu vorbereitet sein, auf diese in der Kürze der Zeit zu reagieren.
Das Bundespatentgericht verkündet seine Entscheidung direkt im Anschluss an das mündliche Verfahren. Die Urteilsbegründung folgt 2 bis 4 Monate später.
Privatgutachten
Ein Privatgutachten ist ein Gutachten, das nicht von dem Gericht, sondern von einer Partei beauftragt wurde. Der Wert des Privatgutachtens hängt sehr stark von der Reputation und der Argumentation des Verfassers ab, da das Privatgutachten letzten Endes nicht von dem Gericht veranlasst wurde. Verfasser von Privatgutachten sich typischerweise erwiesene Fachleute ihrer Zunft. Diese neue Sicht kann durchaus zu Aha-Effekten der befassten Richter führen, die naturbedingt eine eher theoretische Sicht der Dinge einnehmen. Allerdings kann der Schuss auch nach hinten losgehen. Werden in dem Privatgutachten auch Aspekte beleuchtet, die eigentlich mit der Sache nichts zu tun haben, können diese von der gegnerischen dazu genutzt werden, von dem eigentlichen Problem abzulenken.
Zurück